Die Tuchindustrie

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Die Tuchindustrie

Das Tuchmachergewerbe hat eine lange Geschichte. In Böhmen ist es schon im 10. Jahrhundert nachzuweisen. Die Tuchindustrie der Zittauer - Reichenberger Gegend stammt aber aus den Niederlanden. Um das Jahr 1255 kamen Flamen in das Neiβetal und brachten die Tuchmacherei in Aufschwung. Während der Hussitenkriege brach alles wieder zusammen, und eine neue Blütezeit lieβ lange auf sich warten. Wallenstein brauchte Tuche für seine Soldaten. Dreiβig Jahre Krieg und die Wirren der Gegenreformation brachten wiederum den Ruin. In der Mitte des 18. Jahrhunderts ging es wieder aufwärts. Damals zählte man in Reichenberg 329 Tuchmacher und 37 Tuchscherer, im Jahre 1785 bereits 600 Tuchmacher. Zehn Jahre später (Napoleon führte seine Kriege) waren es 804 Tuchmacher, 480 Gesellen und 1232 Hilfsarbeiter. Für das Spinnen des Garns nahm man allgemein die Beihilfe der umliegenden Dorfbewohner in Anspruch, welche die Wolle auf dem Rücken aus der Stadt nach Hause trugen, wo sie dann bearbeitet und auf Handspinnrädern versponnen wurde. Bei dieser Spinnerei war Maffersdorf besonders stark beteiligt, weiβ Jäger zu berichten. Diese Hausindustrie brachte etwas ein. Die Geschäfte gingen gut. Das änderte sich aber völlig, als die 1775 in England erfundene Spinnmaschine und andere Maschinen die Handarbeit ersetzten. Durch Maschinen wurde die Ware viel vollkommener und billiger hergestellt. Die Zahl der Tuchmacher in Reichenberg sank auf 300. Unsere Tuchindustrie hätte verkümmern müssen, wie die Leinenindustrie verkümmert war, wenn man nicht den Abgrund noch rechtzeitig erkannt, davon abgelenkt und sich ebenfalls dem Maschinenwesen zugewendet hätte, schreibt Jäger. Der Niedergang des Zunftwesens trug auch zu der Aufwärtsentwicklung bei. Und wahrlich, die Fabriken wuchsen gleichsam wie Pilze aus dem Boden in und um Reichenberg.

In der Heimatskunde des Reichenberger Bezirkes (1904) im 1.Band heiβt es auf S. 277:
Als Hilfsarbeit der Reichenberger Tuchindustrie muβ die Fabrikation von Tuchleisten (Twisten) angeführt werden. Diese beschäftigte namentlich in Maffersdorf eine gröβere Zahl von Familien. Das Twistengarn wurde dazumal auf Handrädern gesponnen. In Maffersdorf betrieben die Leistengarnspinnerei u.a. auch Ignaz Ginzkey und Franz Wagner, die Begründer der groβen Teppichfabriken. Gegenwärtig (1904) erzeugen Tuchleisten noch die Firmen Karl Wagner und Co. und Anton O. Lammel in Maffersdorf sowie Anton Hujer in Ruppersdorf.

Auf S. 283: Neben der eigentlichen Tuchindustrie entwickelte sich die Woll- und Halbwollwarenindustrie. Bereites im Jahre 1818 setzte Franz Elstner in der Maffersdorfer Mühle Nr. 78 die erste Schafwollspinnerei in Betrieb. Derselbe baute sodann nacheinander noch zwei Spinnfabriken am Höllebach in Betrieb. Alle drei Unternehmungen gelangten in der Folgezeit in fremden Besitz.

Das Fabrikgebäude Nr. 78 wurde Eigentum der Firma I. Ginzkey. Die untere Fabrik am Proschwitzer- oder Höllebach kenne ich vom Hörensagen als "Bei Möller Tonln"; dort arbeitete meine Urgroβmutter - die ich als kleines Kind noch kannte und die mit 93 starb - bis in ihre 80er Lebensjahre. Ich kannte die Fabrik später nur als Ruine, und bald war sie verschwunden. Die obere Fabrik ist als Höllefabrik bekannt, in ihr arbeitete meine Mutter bis zum Tag der Vertreibung. Den Namen Neumann-Fabrik, nach dem letzten Besitzer, gebrauchte kaum jemand. Die Gegend um die Fabrik hieβ von Anfang an "bei Prad's Hölle". Ich denke, daβ sehr früh dort ein Bauer namens Prade gelebt hat. In meiner Kinderzeit standen und stehen noch heute (1994) drei "Pradehäuser". Im Wald in der Nähe gibt es eine höhlenartige, enge Schlucht. Vielleicht war das Prad's Hölle !?

Ehe ich nun auf die gröβeren Industriebetriebe in Maffersdorf genauer eingehe, muβ ich etwas über die Verkehrswege sagen. Industrie ist ohne eine entsprechende Infrastruktur, wie wir heute sagen, nicht möglich. Damals ging es um Straβen und Eisenbahn.


Die Höllefabrik

 

Copyright © by Inge Schwarz 1994 (Heimatstelle Maffersdorf) 

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MAFFERSDORF - Marktgemeinde im Landkreis Reichenberg - SUDETENLAND